Kapitel 8
(Oktober 2000):
Gráinne im Paradies
Am Anfang gab es die
Welt. Und das war gut so. Dann wurde die Küste erschaffen, und damit das
Paradies!
Wir holten Oma und
Opa aus Amerika auf dem Flughafen in Bremen ab und brachten sie zu mir nach
Hause, damit sie sich ein- und an mich gewöhnen konnten. Sie sind wirklich
nette Leute. Sie ließen mich an sich hochspringen, nahmen mich mit auf
Spaziergänge und spielten mit dem Tau mit mir. Dann, ein paar Tage später,
kamen Mami und Papi von der Schule nach Hause und riefen, "Hurra,
Ferien!". Sie räumten das ganze Haus um und packten einen Haufen Kleidung
in meine Hundekiste. Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich etwas besorgt war,
dass Gummistiefel in meiner Kiste schlafen sollten, aber wenigstens fuhr die
Kiste mit, als Papi Leute und Gepäck in den Kombi zwängte. Ich bekam glücklicherweise
auch noch einen Platz - auf der Rückbank zwischen Oma und Mami.
Den nächsten
Abschnitt der Reise nannte Mami "Fee Re". Das musste etwas mit einer
"Fee" zu tun haben und ich glaubte, dass die Geschichte damit enden
würde, dass die gute Fee sagt, "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann
leben Sie noch heute glücklich zusammen". Als wir von der Fee Re gingen,
wusste ich, das war eine andere Welt vor mir: keine lauten Autos, nur
Elektrokarren, die mit Fracht und Gepäck vorbeisummten. Mami erklärte, dass
"Fee Re" in Wirklichkeit "Fähre" geschrieben wird und dass
wir auf der Insel Spiekeroog in der Nordsee angekommen waren. Wir kamen in
einem Appartementhaus unter, in dem noch viele, viele Hunde waren, darunter
Ronya, eine Neufundländerin. So lange meine Hundekiste da war, war ich aber
ganz beruhigt.
Am nächsten Tag verstand ich, warum alle gesagt hatten, "Wir fahren
mit Gráinne in Urlaub". SAND! Meilen und Meilen von Sandstrand. Die
Weitsprunggrube auf dem Sportplatz in Bramstedt ist nichts dagegen! Hier konnte
ich nach Herzenslust und ohne Leine rennen und rennen und rennen, und das hab
ich vielleicht ausgenutzt! Ich buddelte im Sand und hüpfte umher und sauste
über den ganzen Strand hinweg. Irgendjemand hatte sogar ein paar Stöcke bereit
gelegt, damit ich kein Heimweh nach meinem Wald bekommen sollte! An einem
dieser Tage traf ich Melissa, und für sie war ich genau das, was sie schon
immer gesucht hatte: ein ausdauernder Spielkamerad. Wir sahen immer innerhalb
von wenigen Minuten wie die sprichwörtlichen Sandmännchen aus.
Aber das
allertollste war die Unterhaltung über unseren Köpfen. Sie haben diese
"Mini-Flugzeuge", die man jagen kann. Ich lief hinter ihnen her,
immer weiter, immer weiter, so schnell ich konnte. Papi versuchte irgendwie,
mir zu folgen, aber er viel zu langsam und bald nur noch ein Fleck am Horizont.
Ich hätte immer weiter laufen können, aber dann flog eines dieser
"Flugzeuge" in die Gegenrichtung, auf Papi zu, und er rief mich zu
sich und machte dem Spiel ein Ende, indem er mich an die Leine nahm.
Als wir zurückmarschierten zu Mami und Oma und Opa, merkte ich, dass er
schlecht gelaunt war, weil er sich so anstrengen musste. Er war nicht mal
stolz, als die Leute, an denen wir nun vorbeikamen, sagten, "Schau mal, da
kommt ja dieser tolle Hund!". Vielleicht sollte ich mir aber auch nur
nichts einbilden. Als wir schließlich wieder in unserer Ferienwohnung waren,
brauchte ich wirklich einige Stunden Ruhe und die ganze Nacht dazu, um mich für
die nächste Runde von meinem Spiel "Folge der Möwe" zu erholen. Ich
schlief wie ein Murmeltier und Opa musste mich morgens extra wecken, damit ich
Gassi ging.
An einem der Abende
lud ich meine Familie in mein Lieblingsrestaurant ein. Während meine Leute sich
am Fisch delektierten, bekam ich einen ganzen Teller voll knuspriger Hundekekse
und eine Schale Wasser nur für mich alleine. Ich war davon so beeindruckt, dass
ich mich unter dem Tisch wie eine perfekte Dame benahm. Daraufhin sprachen sie
zwei Tage später eine Gegeneinladung aus. Ich wurde wieder als erste bedient
und bekam auch wieder den leckeren Hundeteller.
Dieses Plätzchen
ist wirklich das Paradies, Leute, aber ihr müsst es Euch mal selbst ansehen. Da
machen selbst die Augentropfen gegen meine Bindehautentzündung nichts aus, die
ich von dem ständigen Sand in meinen Augen bekommen hatte. Man kann sie zwar in
der riesigen Wasserschüssel gleich auswaschen, aber man muss erst mal den Mut
finden, die Nase in das sich ständig bewegende salzige Wasser zu stecken. Jedes
Mal, wenn Du in seine Nähe kommst, zieht es sich zurück, aber wenn Du Dich dann
herumdrehst, platscht es Dir in die Schinken. Aber man soll angeblich bei
"Folge der Möwe" Extrapunkte für die Runden bekommen, die man im
Wasser spielt.
Überrede Deine
Leute zu einem Urlaub auf Spiekeroog und ich fordere Dich zu einer Runde
"Folge der Möwe" heraus!
Liebe Urlaubsgrüße
Grainne