Mami und Daddy arbeiten an meiner "Sozialisation". Das heißt, ich soll jetzt alles und jedes kennen lernen. Ach, du meine Güte, und ich dachte, ich wüsste schon genau, wie es in der Welt zugeht: Ich war innerhalb von zwei Wochen stubenrein, habe ganz gute Manieren und spiele und unterhalte mich mit jedem, der hier auftaucht. Ich bin immer die gute Seele der Party, werfe mich allen Leuten in den Arm und gebe den Hunden den Eindruck, dass sie willkommen sind ("Spiel, spiel, spiel!")
Sie haben mich sogar mit in ein Restaurant genommen, wo sie Freunde getroffen haben. Ich brauchte glücklicherweise nicht lernen, mit Messer und Gabel umzugehen, und ich durfte auch nicht am Tisch sitzen sondern nur darunter. Bin wohl Bürger zweiter Klasse! Nach 5 - 10 Minuten hatte ich heraus, dass für mich nichts lief und schlief die nächsten 2 1/2 Stunden fest unter dem Tisch, während sie aßen. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie ich mich über die Reste vom Teller gefreut hätte, aber meine Leute sagten, "Vom Tisch wird nichts gegessen". Die Kellnerin war so beeindruckt, dass sie mir zur Belohnung ein paar Leckerli gab. Sie waren zwar ein bisschen hart für meine Babyzähne, aber ich kaute sie mit Kraft und Begeisterung, damit sie merkte, dass ich mich darüber gefreut habe. Den Test jedenfalls habe ich mit fliegenden Fahnen bestanden.
Ich hab's mir inzwischen auch in meiner Autokiste gemütlich gehabt. Ich kann mich wirklich nicht beschweren, was mir wiederum Lob von Mami und Daddy einbringt. Ich bin im Auto so still, dass Mami einmal Daddy gebeten hat, mal kurz anzuhalten, damit sie nachsehen konnte, ob sie nicht vergessen hatte, mich einzuladen.
Die nächste Aufgabe fand sich in der Bremer Innenstadt; Bramstedt ist einfach zu ruhig, um neue Dinge zu lernen. Im Parkhaus musste ich Lift fahren und das auf meinen eigenen vier Pfoten. Wow! Ich zieh den Mamilift vor, aber wir waren nun mal extra deshalb nach Bremen gefahren. Auf dem Marktplatz sah ich zum ersten Mal eine Taube, aber ich durfte nicht mit ihr spielen. Dann gingen wir in ein Geschäft für Gartenartikel, wo ich auf dem glatten Linoleum ständig ausgerutscht bin. Ich war wohl trotzdem so niedlich, dass Mami meine Visitenkarten zücken musste. Schließlich hab ich gemerkt, dass ich nur auf die Nase falle, wenn ich ziehe. Ich musste noch weitere fünf Mal Lift fahren. Daddy hat mich reingeschoben, wenn ich nicht sofort gehen wollte, damit die Tür sich nicht zwischendurch schließt und sie drinnen stehen und ich draußen. Ich war ruhig aber doch überrascht als der Boden sich bewegte und als wir stoppten. Sie gaben mir eine "2" für "Cityleben".
Am nächsten Tag fuhr uns Daddy im Auto zum Bahnhof nach Syke. Bei uns in Bramstedt ist der Bahnsteig zu schmal und ich würde mich erschrecken und ausflippen, wenn ein ICC vorbeischießt. In Syke kann man weiter weg von den Schienen bleiben, bis der Zug eingefahren ist. Mami trug mich in den Regionalexpress, der auch nicht quietscht, und sieben Minuten später, beim zweiten Halt, sind wir schon wieder ausgestiegen, ich, ladylike, Kopf und Schwanz erhoben. Während wir noch darauf warteten, dass Daddy endlich eintraf, der mit dem Auto hinterher gefahren war, musste ich am Bahnhof in Kirchweyhe mal wieder Lift fahren üben. Ich mach das immer noch nicht freiwillig. Nächstes Mal kann sie das alleine machen und ich komm mit Daddy im Auto. Ich hätte ja eine "1" für Zugfahren bekommen, aber sie haben mir eine halbe Note wegen der Verzögerung beim Liftfahren abgezogen.
Inzwischen bin ich auch wieder in der Welpenagilityschule gewesen. Warum lassen sie mich nicht einfach mit meinen Klassenkameraden spielen? Ich führte meinem Welpenlehrer vor, dass ich meine Hausaufgaben gemacht hatte: Zielübungen und links und rechts um einen Papierkorb marschieren. Aber, Mensch, das kann ich auch zuhause machen. Ich wollte viel lieber Freizeit haben. Trainerin Annika sagte, ich sollte man lieber auch zur normalen Welpenschule gehen. Volltreffer! Ich kann es gar nicht abwarten, die anderen Welpen am nächsten Montag wieder zu sehen. Aber auch hier durfte ich nicht einfach mit meinen Kolleginnen und Kollegen spielen. Mpff!
Mami ging mit mir die Hauptstraße in Syke auf und ab; sie sagte, das wäre nur eine "4" gewesen" und dass wir nun täglich üben müssten. Beim nächsten Mal war ich fast ein Engel und bekam eine "2+" und heute eine "1-", hab dabei aber eine Menge Schnüffeleien auslassen müssen. Sie hat mich auch zum Wochenmarkt in Kirchweyhe mitgenommen und ich bekam eine "1" fürs Beifußgehen und dafür, dass ich vier Mal normal und ruhig in einen Lift gegangen bin.
Montag ging's schon wieder zur Schule. Mami brachte eine Tube mit Leberwurst mit. Trainerin Annika sagte dazu: "Jackpot!" Ich zeigte etwa 71% mehr Aufmerksamkeit als zuvor und alle waren glücklich. Natürlich hab ich trotzdem einige Schummelversuche gemacht und an der Leine gezerrt, um zu meinen Klassenkameraden zu kommen, andererseits habe ich aber auch ganz gute "Sitz!"- "Lieg!"- und "Bleib"-Übungen gemacht.
Samstag hat Tante Uschi bemerkt, dass mir der erste Milchzahn fehlt! - Schon? Am nächsten Tag fehlten dann auch die oberen und die unteren Schneidezähne: Erstmal keine Maiskolben für Róisín mehr. Mami hatte Sorgen, dass wir zu intensiv "Ziehen und Zerren" gespielt hätten, weil noch keine zweiten Zähne zu sehen waren. Aber heute war die Lage schon anders und sie waren schon größer als die alten Milchzähne. Wie meine Trainerin sagt: Ich bin ein Früh- und Schnellentwickler.
Jetzt liegt da eine seltsame Planke auf der Terrasse. Muss ich darauf laufen? - "Ja" - sagte Mami, und legte Käsestückchen aus. Ich brauchte zwei Mal an der Leine und dann hatte ich es schon raus: Planke - Käse - gut! Beim zweiten Mal ging ich schon freiwillig drüber und machte schöne "Zwei (Beine) drauf - zwei (Beine) unten" und dazu ein "Bleib", während Mami noch ein Stück weiter bis zur Hecke und zurück ging: "1" mit Sternchen! Dann hielt sie mir einen Hula-Hoop-Reifen hin und ich musste durchlaufen, um ein Stück Käse zu bekommen. Mami ist überzeugt, dass ich ein Agilityhund bin.
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