Damals, in der guten alten Zeit, als ich mit 8½ Wochen in
dieses Haus umzog, brachte mir Mami sofort „Sitz!“, „Leg Dich hin!“, dann „Leg
dich hin und bleib“ bei, während sie einen Schritt von mir entfernt stand, dann
zwei Schritte usw., bis wir bei 10 Minuten und 30 Meter angekommen waren, wobei
sie mir ihren Rücken zugewendet hatte. Bald kam auch noch das Bei-Fuß-Laufen, Rechts-herum-hinter-ihrem
Rücken, In-der-Innenstadt-brav-Mitlaufen-ohne-an-der-Leine-zu ziehen-und-automatisch-hinsetzen-sobald-sie-anhält
dazu.
Das war aber alles nur ein kleiner Teil der 18-monatigen
Vorbereitung für die Prüfungen in dieser Woche, nämlich die leidige
Begleithundprüfung, die ich unbedingt bestehen musste, wenn ich denn irgendwann
an Agilitywettbewerben teilnehmen wollte. Das war schwieriger, als
Jugendchampion im Führring zu werden. Für uns beide.
Schon Monate vorher wusste ich eigentlich alles, um die
Prüfung zu bestehen. Als obligatorische Partner dafür entschieden wir uns für
Karin und Jo-Jo. Mamis frühere Lehrerkollegen im Nachbardorf hatten einen
geeigneten Garten und ein angrenzendes Feld, das groß genug ist, um alles zu üben, was auf der Wiese unserer Hundeschule passiert. Dort trafen wir uns mit Jo-Jo und Karin einige Male, aber auch mitten in Brinkum, um die Stadtsituationen zu trainieren: die Hauptstraße bei Fuß hin- und herzulaufen und so weiter. Bei den Übungsstunden im Hundeverein lief alles prima. Ich war der
einzige Hund, der immer liegen blieb.
Allerdings: beim Üben bekam ich Leckerli zur Belohnung, bei der Prüfung durfte
das nicht mehr sein. Da durfte Mami nicht mit mir reden, ja mich nicht mal loben. Zu blöd! O, Mann, wenn wir Agility machen, feuert sie mich immer an wie ein Lokomotivheizer. Wenn ich „rechts herum“ gehen soll, dann lehnt sie sich ein
bisschen nach rechts, während ich sie rechts herum umkreise. Ich kapier das
inzwischen auch, wenn sie sich ein bisschen nach links lehnt (in der
Fachsprache: Deutsche Runde). Für kurze Zeit hatte ich
Schwierigkeiten, mein Tempo von schnell auf langsam zu ändern, wenn das
verlangt wurde. Deshalb hatte Mami angefangen, zwischendurch einmal kräftiger
mit dem Fuß aufzustampfen. Das hab ich schnell kapiert. Aber würde das auch während der Prüfung funktionieren? Und
wie viele Punkte würde die Richterin abziehen, wenn Mami mir ein Zeichen gab?
Der Tag der Entscheidung kam. Wir stiegen früh am Morgen ins
Auto und fuhren zur Hundeschule, halfen beim Aufstellen des Buffets und
warteten, bis die anderen Teilnehmer mit ihrem schriftlichen Test fertig waren
(den brauchte Mami nicht noch einmal zu machen, weil sie ihn schon mit Gráinne
bestanden hatte.
Jo-Jo und ich waren die ersten von 11 Teams in der
praktischen Prüfung. Mami war da schon ziemlich nervös, also war es gut, dass
wir als erste dran waren. Wir gingen zur Richterin und Mami sagte „Hundehalterin
Roberta Hoffman und Róisín melden sich zur Prüfung“. Dann führte mich Mami zu
einer Stelle bei den Büschen, sagte „Stay!“ (Bleib!) und ging 30 Schritte weg.
Ich lag und lag und lag, während sie mit dem Rücken zu mir stand und stand und
stand. Nicht sehr höflich, was? Ein anderer Prüfling stand derweil hinter der
Hecke und lächelte. Das war das Zeichen für Mami, dass ich immer noch still wie eine Gurke
lag.
Dann wurde gewechselt und Jo-Jo musste dort liegen, während
ich meine anderen Prüfungen machte. Mami machte einen kleinen Fehler, als sie
mich vor dem Hinlegen nicht erst sitzen ließ. Und ich machte einen kleinen
Fehler, als ich mich nicht erst hinsetzte, bevor ich um sie herum lief. Ich war aber
richtig gut, als ich eine Acht um eine Gruppe von 4 Leuten laufen musste. Es
war mir klar, dass Mami nicht fröhlich sein würde, wenn ich auch nur einen von
ihnen nach meiner Art stürmisch begrüßen würde. Dann kam noch das gleiche ohne
Leine dran und schließlich die letzten beiden Aufgaben: sitzen bleiben und
liegen bleiben: Mami geht weg und wartet auf ein Signal von der Richterin, dass
entweder sie wieder zu mir oder ich zu ihr darf.
Schließlich mussten unsere Teams wieder zu der Richterin
gehen, die kein Wort sagte. Wir warteten. Sie wartete. Dann erinnerte sie uns
daran, dass Mami nun vorschriftsmäßig zu sagen hatte, „Hundeführerin Roberta
Hoffman und Róisín melden, dass sie den praktischen Teil der Begleithundprüfung
beendet haben". Anschließend berichtete sie jedem Team, wie gut wir die
einzelnen Prüfungsteile erledigt hatten.
Mami hatte gehofft, dass wir bestanden hätten, aber die
Richterin sagte, dass wir leider knapp ein „Sehr gut“ verpasst hätten, also eine gute 2.
Wow! Wir hätten ja nur den Eintrag in meiner Agilityleistungskarte gebraucht,
dass ich die Prüfung bestanden hatte, es fühlte sich aber doch gut an, so gut
abgeschnitten zu haben. Dann konnte ich in meiner Box entspannen, während nun
Mami hinter der Hecke stand, um den anderen Kandidaten Mut zu machen.
Nach einer Mittagspause, während der Mami mit mir einen
Spaziergang auf den Feldwegen machte und mich erstmal alles beschnüffeln ließ,
was ich wollte, zogen wir um nach Brinkum, wo wir die Stadtprüfungen erledigen
sollten. Das war für mich leicht. Die 11 Teams mussten die Straße auf- und
ab- und dabei aneinander vorbei gehen, im Slalom umeinander laufen, korrekt
über die Straße gehen, die Hunde anbinden und sich außer Sicht des eigenen
Hundes begeben, während ein anderer Hund daran vorbei geführt wird. Zum Schluss
dann mussten sich die Teams durch eine eng zusammen stehende Menschengruppe drängeln.
Mami sagte, sie hätte mir beigebracht, nicht zu drängeln und
fragte höflich, ob wir denn auch ohne Drängeln durchgehen könnten. Das durften
wir. Und fertig! Wir hatten die ganze Prüfung bestanden. Wir bekamen unsere
Schleifen und Dokumente und die Richterin umarmte sogar Mami. Und ich war auch
ganz stolz.
Ich wurde dann noch für die bevorstehenden Wettkämpfe offiziell
eingemessen: Ich habe 44 Zentimeter Schulterhöhe. „Oh, sh…“ – die Grenze zwischen den
Klassen „mittelgroß“ und „groß“ liegt bei 43cm. Nun muss ich also doch gegen
die großen Hunde laufen, vor allem gegen die flinken Border Collies und
die Australischen Schäferhunde, die bei Agility immer die Stars sind.
Die Richterin hatte zwar Mitleid mit uns, aber ich bin
sowieso schon immer über die großen Hürden gesprungen. Mami hat auch ein neues
Zelt zum Aufenthalt während der Turniere und übt das Aufstellen ohne Hilfe. Ihr solltet sie sehen, wenn ihr das Zelt beim Aufstellen entgegen springt (Es ist ein so genanntes Wurfzelt) und wie sie mit dem
Ding kämpft, wenn sie es wieder zusammenfalten will. Na, wenigstens brauch ich
das nicht zu lernen.
Als wir nach 8 Stunden wieder zuhause waren, begrüßte Daddy
uns mit einem großen Knochen. Mami bekam ein Glas Sekt. Fertig! Mami hat mir
versprochen, dass ich nie wieder 10 Minuten lang in 30 Meter Entfernung liegen
muss und sie wird mir auch nicht den Rücken zuwenden.
Wheaten Nr. 3 im Haus, Lorena Róisín vom Don, alias „Die
Erbse“ hat die Prüfungen bestanden und geht nun an die nächste Herausforderung
heran.
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