Kapitel 14 
(Juni 2016):

Abschlussprüfungen


Damals, in der guten alten Zeit, als ich mit 8½ Wochen in dieses Haus umzog, brachte mir Mami sofort „Sitz!“, „Leg Dich hin!“, dann „Leg dich hin und bleib“ bei, während sie einen Schritt von mir entfernt stand, dann zwei Schritte usw., bis wir bei 10 Minuten und 30 Meter angekommen waren, wobei sie mir ihren Rücken zugewendet hatte. Bald kam auch noch das Bei-Fuß-Laufen, Rechts-herum-hinter-ihrem Rücken, In-der-Innenstadt-brav-Mitlaufen-ohne-an-der-Leine-zu ziehen-und-automatisch-hinsetzen-sobald-sie-anhält dazu.

Das war aber alles nur ein kleiner Teil der 18-monatigen Vorbereitung für die Prüfungen in dieser Woche, nämlich die leidige Begleithundprüfung, die ich unbedingt bestehen musste, wenn ich denn irgendwann an Agilitywettbewerben teilnehmen wollte. Das war schwieriger, als Jugendchampion im Führring zu werden. Für uns beide.

Schon Monate vorher wusste ich eigentlich alles, um die Prüfung zu bestehen. Als obligatorische Partner dafür entschieden wir uns für Karin und Jo-Jo. Mamis frühere Lehrerkollegen im Nachbardorf hatten einen geeigneten Garten und ein angrenzendes Feld, das groß genug ist, um alles zu üben, was auf der Wiese unserer Hundeschule passiert. Dort trafen wir uns mit Jo-Jo und Karin einige Male, aber auch mitten in Brinkum, um die Stadtsituationen zu trainieren: die Hauptstraße bei Fuß hin- und herzulaufen und so weiter. Bei den Übungsstunden im Hundeverein lief alles prima. Ich war der einzige Hund, der immer liegen blieb. Allerdings: beim Üben bekam ich Leckerli zur Belohnung, bei der Prüfung durfte das nicht mehr sein. Da durfte Mami nicht mit mir reden, ja mich nicht mal loben. Zu blöd! O, Mann, wenn wir Agility machen, feuert sie mich immer an wie ein Lokomotivheizer. Wenn ich „rechts herum“ gehen soll, dann lehnt sie sich ein bisschen nach rechts, während ich sie rechts herum umkreise. Ich kapier das inzwischen auch, wenn sie sich ein bisschen nach links lehnt (in der Fachsprache: Deutsche Runde). Für kurze Zeit hatte ich Schwierigkeiten, mein Tempo von schnell auf langsam zu ändern, wenn das verlangt wurde. Deshalb hatte Mami angefangen, zwischendurch einmal kräftiger mit dem Fuß aufzustampfen. Das hab ich schnell kapiert. Aber würde das auch während der Prüfung funktionieren? Und wie viele Punkte würde die Richterin abziehen, wenn Mami mir ein Zeichen gab?

Der Tag der Entscheidung kam. Wir stiegen früh am Morgen ins Auto und fuhren zur Hundeschule, halfen beim Aufstellen des Buffets und warteten, bis die anderen Teilnehmer mit ihrem schriftlichen Test fertig waren (den brauchte Mami nicht noch einmal zu machen, weil sie ihn schon mit Gráinne bestanden hatte.

Jo-Jo und ich waren die ersten von 11 Teams in der praktischen Prüfung. Mami war da schon ziemlich nervös, also war es gut, dass wir als erste dran waren. Wir gingen zur Richterin und Mami sagte „Hundehalterin Roberta Hoffman und Róisín melden sich zur Prüfung“. Dann führte mich Mami zu einer Stelle bei den Büschen, sagte „Stay!“ (Bleib!) und ging 30 Schritte weg. Ich lag und lag und lag, während sie mit dem Rücken zu mir stand und stand und stand. Nicht sehr höflich, was? Ein anderer Prüfling stand derweil hinter der Hecke und lächelte. Das war das Zeichen für Mami, dass ich immer noch still wie eine Gurke lag.

Dann wurde gewechselt und Jo-Jo musste dort liegen, während ich meine anderen Prüfungen machte. Mami machte einen kleinen Fehler, als sie mich vor dem Hinlegen nicht erst sitzen ließ. Und ich machte einen kleinen Fehler, als ich mich nicht erst hinsetzte, bevor ich um sie herum lief. Ich war aber richtig gut, als ich eine Acht um eine Gruppe von 4 Leuten laufen musste. Es war mir klar, dass Mami nicht fröhlich sein würde, wenn ich auch nur einen von ihnen nach meiner Art stürmisch begrüßen würde. Dann kam noch das gleiche ohne Leine dran und schließlich die letzten beiden Aufgaben: sitzen bleiben und liegen bleiben: Mami geht weg und wartet auf ein Signal von der Richterin, dass entweder sie wieder zu mir oder ich zu ihr darf.

Schließlich mussten unsere Teams wieder zu der Richterin gehen, die kein Wort sagte. Wir warteten. Sie wartete. Dann erinnerte sie uns daran, dass Mami nun vorschriftsmäßig zu sagen hatte, „Hundeführerin Roberta Hoffman und Róisín melden, dass sie den praktischen Teil der Begleithundprüfung beendet haben". Anschließend berichtete sie jedem Team, wie gut wir die einzelnen Prüfungsteile erledigt hatten.

Mami hatte gehofft, dass wir bestanden hätten, aber die Richterin sagte, dass wir leider knapp ein „Sehr gut“ verpasst hätten, also eine gute 2. Wow! Wir hätten ja nur den Eintrag in meiner Agilityleistungskarte gebraucht, dass ich die Prüfung bestanden hatte, es fühlte sich aber doch gut an, so gut abgeschnitten zu haben. Dann konnte ich in meiner Box entspannen, während nun Mami hinter der Hecke stand, um den anderen Kandidaten Mut zu machen.

 

Nach einer Mittagspause, während der Mami mit mir einen Spaziergang auf den Feldwegen machte und mich erstmal alles beschnüffeln ließ, was ich wollte, zogen wir um nach Brinkum, wo wir die Stadtprüfungen erledigen sollten. Das war für mich leicht. Die 11 Teams mussten die Straße auf- und ab- und dabei aneinander vorbei gehen, im Slalom umeinander laufen, korrekt über die Straße gehen, die Hunde anbinden und sich außer Sicht des eigenen Hundes begeben, während ein anderer Hund daran vorbei geführt wird. Zum Schluss dann mussten sich die Teams durch eine eng zusammen stehende Menschengruppe drängeln.

Mami sagte, sie hätte mir beigebracht, nicht zu drängeln und fragte höflich, ob wir denn auch ohne Drängeln durchgehen könnten. Das durften wir. Und fertig! Wir hatten die ganze Prüfung bestanden. Wir bekamen unsere Schleifen und Dokumente und die Richterin umarmte sogar Mami. Und ich war auch ganz stolz. 

Ich wurde dann noch für die bevorstehenden Wettkämpfe offiziell eingemessen: Ich habe 44 Zentimeter Schulterhöhe. „Oh, sh…“ – die Grenze zwischen den Klassen „mittelgroß“ und „groß“ liegt bei 43cm. Nun muss ich also doch gegen die großen Hunde laufen, vor allem gegen die flinken Border Collies und die Australischen Schäferhunde, die bei Agility immer die Stars sind.

Die Richterin hatte zwar Mitleid mit uns, aber ich bin sowieso schon immer über die großen Hürden gesprungen. Mami hat auch ein neues Zelt zum Aufenthalt während der Turniere und übt das Aufstellen ohne Hilfe. Ihr solltet sie sehen, wenn ihr das Zelt beim Aufstellen entgegen springt (Es ist ein so genanntes Wurfzelt) und wie sie mit dem Ding kämpft, wenn sie es wieder zusammenfalten will. Na, wenigstens brauch ich das nicht zu lernen.

Als wir nach 8 Stunden wieder zuhause waren, begrüßte Daddy uns mit einem großen Knochen. Mami bekam ein Glas Sekt. Fertig! Mami hat mir versprochen, dass ich nie wieder 10 Minuten lang in 30 Meter Entfernung liegen muss und sie wird mir auch nicht den Rücken zuwenden.

Wheaten Nr. 3 im Haus, Lorena Róisín vom Don, alias „Die Erbse“ hat die Prüfungen bestanden und geht nun an die nächste Herausforderung heran.

 

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