Kapitel 33
(Sommer 2009):
Der Satansbraten übernimmt die Führung
Ich hab’s aufgegeben zu hoffen, dass der Gauner wieder abreist. Sieht so aus, als ob er hier bleibt. Er belästigt mich nicht mehr mit seinem ständigen Wunsch zum Spielen. Mami sagt, dass sie selbst mal viel länger gebraucht hat, nicht mehr zu Winseln, dass ihr großer Bruder mit ihr spielt.
Diarmuid hat schon zwei Spitznamen: Daddy nennt ihn „Gangster“ wegen seiner schwarzen Gesichtsmaske. Außerdem hechelt er so viel (englisch: „pant“), dass sie ihn auch den „Braunen Panter“ nennen.
Und ich ? - Mein ganzes Leben lang haben sie mich „die Kleine“ genannt. Nachdem der Gauner kam, haben sie dann angefangen mich „die Große“ zu rufen. Jetzt, wo er 6 ½ Monate alt ist, ist er schon größer und schwerer als ich und ich heiße wieder „die Kleine“. Aber ich bin immer noch die „Große Schwester“ und ich sag ihm immer noch, was er zu tun hat, allerdings beeindruckt ihn das nicht mehr so wie früher. Er hat mich sogar beim Küchensurfen überholt, weil er auf seinen langen Beinen und mit seinen großen Pfoten auf der Arbeitsplatte viel weiter kommt.
Ist denn gar nichts mehr für Gráinne reserviert? Ich muss sogar die Fischreste mit ihm teilen, die Mami für mich/ uns von den Gräten pickt, oder die letzten zusammengekratzten Reste aus der Eisschüssel, alles was vorher mir allein gehört hat.
Wenn er andererseits eine Belohnung dafür bekommt, dass er sein kleines Geschäft draußen erledigt, dann bekomme ich auch etwas. Neben meinem üblichen eineinhalbstündigen Spaziergang komme ich auch noch mit auf seine tägliche 40- Minutenreise. Das bedeutet, dass ich als guter Spaziergänger mehr Kekse bekomme und ich bekomme auch immer noch einen mit, wenn er ein guter Spaziergänger ist, weil ich darin immer noch besser bin. An der Leine zu ziehen ist natürlich unter meiner Würde, außer … - aber er…?
Diarmuid hat schon im Mindestalter von 4 Monaten mit der Hundeschule begonnen, als Jüngster in seiner Gruppe. In der ersten Woche benahm er sich wie ein Wilder, genau wie ich damals. In der zweiten Woche gehörte er aber zu den beiden besten. Nach der vierten Woche hat man Mami gesagt: „Auch wenn alles prima funktioniert, vergiss nicht: er wird ein großer Junge!“ Jetzt frage ich Dich: Gráinne wurde aus der Hundeschule herausgeschmissen und hat jeden ein Jahr lang verrückt gemacht. Wo ist nun sein Widerstand gegen die Erziehung?
Er hat sofort „Sitz“, „Gib Pfötchen“ und „Bete“ gelernt und „Bleib“ geht für einen Anfänger auch schon bemerkenswert gut. „Sitz vor mir“ scheint auch zu funktionieren.
Er hat die Welpenschule erfolgreich abgeschlossen und fängt nächste Woche mit Rally Obedience an, das ist so eine Art ständiger Gehorsam auf verschiedene Befehle hin. Ich soll auch damit anfangen, denn ich muss mit Agility aufhören weil ich zu alt werde, haben sie mir gestern Abend gesagt. Mami und ich sind ganz traurig darüber, weil es uns immer viel Spaß gemacht hat, im Agilityparcours zusammen zu arbeiten. Im nächsten Frühjahr wird Diarmuid übernehmen und ich werde am Rande sitzen und zugucken.
Unsere Wheatencousine Tessa hatte uns neulich in ihr Wochenendhaus auf der Weserinsel Harriersand eingeladen. Das war Diarmuids erste Bekanntschaft mit einem Strand. Der arme Irre dachte, dass er auf dem Wasser laufen könnte! Uiiiii, musste er sich da schnell aus dem Wasser zurück auf den Sand strampeln! Seitdem ist er nie wieder im Wasser gewesen, obwohl ich ihm jedes Mal, wenn wir auf Harriersand oder an Londos Teich sind, vorführe, dass ihm keine Gefahr droht, so lange er nur bis zum Bauch hinein geht.
Evas und Ennos Wochenendhaus auf Harriersand steht auf Stelzen, weil es hier immer mal eine Überflutung geben kann. Deshalb gibt’s eine Treppe hinauf zur Haustür. Diarmuid darf zwar wegen seiner jungen, schwachen Gelenke noch keine Treppen laufen, aber als Tessas Mami Eva zu ihrem Keller herunterging, wollte Diarmuid ihr folgen. Daddy versperrte ihm den Weg an der Treppe und – Diarmuid entschied sich fürs Fliegen. Er sprang oben ab, segelte wie ein Drachenflieger und landete im Gras knapp 2 Meter tiefer, genau zwischen einer Baumwurzel und einem Stein. Alle erschraken sich mächtig und Mami sah die Karriere ihres künftigen Agilitystars schon beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Aber innerhalb einer Viertelstunde war klar, dass er alles gut überstanden hatte.
Einen Tag später ließ sich Diarmuid im Klee in unserem Garten von einer Biene in die Pfote stechen. Natürlich konnte er daraufhin nicht laufen. Daddy verschrieb homöopathisches Apis und Mami eine Kühlpackung auf seinem Fuß. Nach 10 Minuten ging es ihm wieder gut. Hm – Gráinne war nie solch eine Mimose.